This Song Father Used to Sing (Three Days in May). Gespräch mit Wichaya Artamat
Mehrere Kacheln teilen sich den Bildschirm. Auf zwei der Kacheln wachsen beinahe identisch aussehende Epipremnum – Efeututen. Eine von ihnen hält sich an einem einzelnen Nagel hinter mir fest an einer Wand in Zürich und die andere wächst in einem Zimmer in Thailand. Aus dieser Kachel schaut mich Wichaya Artamat an, Regisseur von «This Song Father Used to Sing (Three Days in May)», über das zu sprechen wir uns hier zwischen den Spiegelbildern unserer Efeututen und unscharfen Zimmerumrissen getroffen haben. Er ist Mitglied des Kollektivs For What Theatre, das er später mit einem Spielplatz vergleichen wird, an dem mit den Grenzen dessen experimentiert wird, was Theater bedeuten kann. Ob es eine Antwort auf das For What gebe? Mit jedem Projekt finden wir einige, sagt Wichaya, und verwerfen andere. Das Kollektiv habe sich zusammengefunden, um die eigene Praxis zu hinterfragen und Antworten zu suchen auf Fragen, die sie an sich und die Gesellschaft haben. Eine Reaktion auf eine angelernte Einschränkung der Ausdrucksmöglichkeiten, in den Körper übergegangene Kultur der Selbstzensur. Viele Menschen in Thailand würden ihr Leben lang nicht lernen, bestimmte Dinge direkt anzusprechen, sagt Wichaya, es brauche Kreativität, Wege dazu zu finden. Er lacht und sagt dann: Manchmal scherze ich darüber, aber eigentlich ist es alles andere als lustig.
1. This Song Father Used to Sing (Teil 1)
Was das Team rund um Wichaya im Stück seziert, sind Erinnerungen. An der Oberfläche die Erinnerungen eines Geschwisterpaars, wir sehen einen Bruder und eine Schwester, die sich in drei verschiedenen Jahren an drei verschiedenen Tagen im Mai in einer verstaubten Wohnung in Bangkok treffen, um dem Tod des Vaters zu gedenken. Welches Datum der Todestag des Vaters sei, das wechselt dabei ebenso wie die Kuchenvorlieben, die sie ihm zuschreiben oder die Zubereitungsweise, in der er seinen Reis mochte. Aber es sind auch Erinnerungen anderer Art, die eine Rolle spielen, die drei Tage im Mai verweisen auf Ereignisse in Thailands Politik. Der Titel sei ihm nach dem 22. Mai 2014 in den Sinn gekommen: An diesem Tag übernahm das Militär unter Führung des Generals Prayut Chan-o-cha nach Monaten politischer Konflikte die Kontrolle über Land und Medien. Mir ist klar geworden, wie oft ich diese Situation schon erlebt habe, sagt Wichaya, zu oft. Es ist der insgesamt zwölfte Staatsstreich, den Thailand erlebt, seit 1932 die absolute Monarchie ein Ende fand. Seitdem ist Thailand ein Land, in dessen ständig neu in Kraft und wieder ausser Kraft gesetzten Verfassungen steht, dass es eine konstitutionelle Monarchie ist. De facto wechseln sich Militärdiktatur, Demokratie und diverse Hybridformen ab. Viele Menschen akzeptieren diese Zwischenform, sagt Wichaya, und nennen das «Thai-Style Democracy» – aber er könne das so nicht akzeptieren. Neben der erstaunlichen Regelmässigkeit, in der Staatsstreiche demokratisch gewählte Regierungen entmachten und den umfassenden Einflussmöglichkeiten, die sich das Militär in Verfassungen eingeschrieben hat, zeigt sich seine Einmischung in häufig gewaltvollen Reaktionen auf politische Proteste. Zwei solcher Konfrontationen gingen als «Black May» (1992) und «Savage May» (2010) in die Geschichte ein. Auch das Erinnerungen, die an dem Titel von Wichayas Arbeit kleben.
Aber was führt zu der Wiederkehr solcher Ereignisse? Was hat zum Staatsstreich am 22. Mai 2014 geführt?
2. Die Geister der Vergangenheit
Nach einem jahrzehntelangen Kampf um die Vorherrschaft zwischen militärischen und zivilen, royalistisch-nationalistischen und pro-demokratischen Kräften traten 1973 in einem Volksaufstand, der 25 Jahre Militärdiktatur beendete, mit der Studierendenschaft und einer gewachsenen Mittelschicht neue politische Akteur:innen auf den Plan. Der Versuch, eine demokratische Regierung zu reinstallieren, führte zu weiteren Staatsstreichen, dem Massaker an der Thammasat-Universität sowie Wechseln zwischen Militärherrschaft und «Halbdemokratie», bis nach dem «Black May» 1992 eine Zeit verhältnismässiger Ruhe eintrat. Demokratische Praktiken konnten Fuss fassen und auch die Wirtschaft erholte sich. Eine neue, liberale «Verfassung des Volkes» trat am 11. Oktober 1997 in Kraft. Obwohl vorrangig ein Kompromiss zwischen konservativen Eliten und liberaler Mittelschicht, wird sie als Meilenstein der Demokratisierung gefeiert.
Die fast ausschließliche Ausrichtung thailändischer Politik an den Interessen der Eliten änderte sich 2001 mit der Wahl von Telekommunikations-Tycoon und Milliardär Thaksin Shinawatra zum Premierminister, dessen Regierung allgemeinen Zugang zu Gesundheitsversorgung einführte, in Infrastruktur investierte und gegen die Armut in ländlichen Gebieten vorging. Doch sein Politikverständnis spaltete das Land. Die «Gelbhemden», eine politische Bewegung mit einer konservativ-nationalistischen und einer progressiven Strömung, warfen ihm Korruption, Steuerhinterziehung und Machtmissbrauch vor. In den Augen seiner Anhänger:innen liessen sich diese Vorwürfe auf Eifersucht herunterbrechen: Die Vorteile, die einst die Eliten innehatten, waren durch die Politik des Premierministers an breitere Teile der Bevölkerung verteilt worden und diesen Machtverlust würden die konservativen Kräfte nun umkehren wollen, indem sie den Premierminister diskreditierten. Nach Monaten der Proteste intervenierte das Militär und löste die Regierung am 19. September 2006 auf. In Folge wurden demokratisch gewählte, Thaksin nahestehende Parteien verboten und Vertraute Thaksins aus der Politik verbannt. Darauf formierten sich die Rothemden: Eine Bewegung von linken sowie liberalen Aktivist:innen, Akademiker:innen und großen Anteilen von Thaksins ehemaliger Wähler:innenschaft aus ländlichen Gebieten und Arbeiter:innenkreisen. Ihre Proteste gegen die politischen Manöver, die entgegen dem Willen der Mehrheit eine royalistisch-konservative Regierung an die Macht brachten, wurden mehrfach mit militärischer Gewalt niedergeschlagen.
Die Geschichte wiederholte sich, als Thaksins Schwester Yingluck Shinawatra 2011 erste Premierministerin des Landes wurde. Der von Gelbhemden, Royalist:innen und Ultra-Nationalist:innen getragene Widerstand gegenüber ihrer Regierung eskalierte mit der Verkündung eines Amnestiegesetzes, von dem ihre Kritiker:innen befürchteten, es könne ihrem Bruder eine Rückkehr aus dem Exil erlauben. Am 22. Mai 2014 entmachtete das Militär mit einem Putsch die gewählte Regierung. Während viele die Machtübernahme der Armee ablehnten, unterstützten ebenso viele diese auch als notwendige Massnahme, die Korruption im Land ein für alle Mal zu beenden und um das Land davor zu bewahren, in Chaos zu versinken. Im Rahmen des Staatsstreichs wurden zahlreiche Politiker:innen und Aktivist:innen aus dem Lager der Rothemden verhaftet und verschleppt, die Hauptstadt in Lockdown geschickt und Truppen auf die Universitätscampus entsandt. Wahlen wurden bis auf weiteres ausgesetzt, das Recht auf freie Meinungsäusserung – so etwa durch einen Anstieg in Verurteilungen wegen Majestätsbeleidung – empfindlich eingeschränkt.
Einem 2016 vorgelegten Entwurf einer neuen Verfassung, die die Einschränkung des Einflusses des Volkes auf die Politik vorsah, stimmten in einem Referendum 61% der Wähler:innen zu. 2019 kam es bei den ersten öffentlichen Wahlen seit dem Putsch zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen pro-demokratischer und pro-militärischer Kräfte. Den ersten Platz machte eine pro-demokratische Partei, Nötigung und eine Reihe politischer Manöver zwangen diese jedoch in die Opposition. General Prayut Chan-ocha, der den Putsch von 2014 anführte, ist noch heute Premierminister Thailands. Insbesondere in den Augen einer jungen, studentisch getragenen Widerstandsbewegung verstösst dieses militärisch-demokratische-Hybrid-Modell gegen den Kern dessen, was Demokratie bedeutet. Nach wie vor wird protestiert.
3. This Song Father Used to Sing (Teil 2)
Im Stück, das Wichaya gemeinsam mit den Schauspieler:innen Jaturachai Srichanwanpen und Parnrut Kritchanchai verfasst hat, sind die Erinnerungen des Geschwisterpaars verwoben mit denen Wichayas, Jaturachais und Parnruts und mit den kollektiven Erinnerungen an Ereignisse wie die des 22. Mai 2014. Die Referenzen schillern subtil durch Bilder, Andeutungen und, wenn man ihren Kontext kennt, vertraute Dynamiken. So teilt sich das Stück je nach Vorwissen in zwei Versionen: Auf der einen Seite eine Familiengeschichte, die Begegnungen zwischen einem Bruder und einer Schwester, die sich fremd sind, aber in pflichtbewusstem Gedenken an ihren Vater zusammenkommen, die sich streiten, sich necken, sich Vorwürfe machen, sich manchmal miteinander verbinden und oft nichts zu sagen wissen; die darüber nachdenken, die Asche ihres Vaters zu verstreuen, aber dann nichts mehr hätten, was ihr Zusammenkommen rechtfertigt. Auf der anderen Seite ein Kommentar zur Vergangenheit und Gegenwart politischer Konflikte in Thailand. Es gehe ihm immer um diese beiden Ebenen, sagt Wichaya, um das Verhältnis von persönlicher Geschichte und Politik. Man könne die Inszenierung mit zweierlei Augen betrachten. Als er das sagt, denke ich an etwas, was ich gelesen habe. Der Putsch wurde für die einen ein «point of no return» und zentrales Ereignis – für die anderen hatte er kaum einen Einfluss. «Das Leben in Thailand ging weiter. Bangkok blieb an der Oberfläche wie zuvor: voller Verkehrsstaus, Leben, Verschmutzung, Lärm.»
Im Stück kann man auch den allegorischen und persönlichen Spuren des Vaters folgen. Wenn man die Struktur thailändischer Familien und der thailändischen Gesellschaft untersucht, sagt Wichaya, stosse man auf die Bedeutung dieser Figur. Die Erinnerung an ihn biete sich als Allegorie. Dann erwähnt er, dass Vatertag in Thailand am 5. Dezember gefeiert wird, dem Geburtstag des früheren Königs Bhumibol Adulyadej.
Ich erinnere mich an weinende Menschen auf den Strassen und ein stilles, in Schwarz und Weiss gehülltes Bangkok, das wenige Tage zuvor noch voller Leben gewesen war, als Bhumibol 2016 verstarb, zu einer Zeit, die ich zufällig in der thailändischen Hauptstadt verbrachte. Er genoss grosses Ansehen, was seinem Nachfolger nicht auf dieselbe Weise zukommt. Bhumibol trat in den 70 Jahren, die er regierte, bei vielen Konflikten als Streitschlichter auf, das Gewicht seiner Stimme bedeutend genug, verfeindete Lager zu erreichen. Ebenso war es seine Anerkennung, die militärischen wie demokratischen Regierungen, Verfassungen und antidemokratischen Übergangslösungen Legitimität verlieh. Bei dem Versuch, mich dieser Verbindung von Vatermotiv und Monarchie anzunähern und ihrer Rolle für Ereignisse wie die vom 22. Mai 2014, stiess ich auf Aussagen, dass das Militär von der Monarchie gestützt würde und das Königshaus wie einen Schutzschild benutze. Kritik am Vorgehen des Militärs sei damit immer gefährlich nahe an einer Kritik der Monarchie, eine Entmachtung des Militärs könne zum Machtverlust der Monarchie führen – und ein Machtverlust der Monarchie, wie ihn einige nach Bhumibols Tod vermuten, zum Ende der Militärherrschaft. Eine Verbindung, die aus unterschiedlichen Perspektiven Sinn macht: etwa derjenigen der Sicherung von Macht und Vorzügen; oder aus derjenigen, in der Militär und Königshaus ihre Funktion als Bewahrer:innen von Ordnung, Sicherheit und Harmonie legitimieren. Dies im Hinterkopf, denke ich an die Geschwister aus Wichayas Inszenierung, die in ihrem Kampf um Deutungshoheit von Welt und Familiengeschichte ihre jeweilige Version des erinnert-erfunden Vaters beschwören. Was ändert sich, wenn das Familienoberhaupt nur noch eine Erinnerung ist?
Lieder hat er gesungen, der Vater, erinnern sich die Geschwister. Themen von Gemeinschaft, Wiederholung, Reproduzierbarkeit und Ordnung entspinnen sich: Gelegentlich bringen sie Harmonie zwischen die Geschwister, manchmal bieten sie Anlass für Auseinandersetzung, welche Version das Original ist und wie der Liedtext ging. Sie tauchen auf als aus der Erinnerung gekramte, von der Vergangenheit ins Jetzt weitergereichte Tradition, Anlässe nostalgischer Zusammenkunft. Etwas, was sich wiederholt, was man auch nach Jahren nicht vergisst, dessen Struktur sich ins Gedächtnis gebrannt hat. Viele dieser Themen spiegeln sich in der Geschichte politischer Konflikte im Land, so werden Staatsstreiche mitunter als fest im Repertoire seiner politischen Akteur:innen verankertes und bei Bedarf hervorzuholendes Rezept für den Umgang mit politischer Meinungsäusserung beschrieben, ihre Verteidiger:innen ziehen oftmals das Wiederherstellen von Harmonie und das Verhindern von Chaos als Begründung heran.
Der Aspekt, an dem ich schlussendlich hängen bleibe, ist die Wiederholung; ein Thema, das sich auch ausserhalb musikalischer Register durch Wichayas Arbeit zieht. Das Gespenst des Vaters, das über der Situation schwebt; die Gespräche der Geschwister über Geister, Wiedergänger, Zombies; ihr vergebliches Fragen nach dem Original. Als ich ihn danach frage, sagt er, das Spiel mit dem Verwischen von Originalen und Ursprüngen habe für ihn etwas mit «Thainess» zu tun – etwas, auf das sich viele Thailänder:innen oft berufen, ohne dabei mitzudenken, aus wie vielen verschiedenen Einflüssen dieses angeblich Ursprüngliche zusammengesetzt ist. Und ob der Vater wirklich der originale Vater ist? Fraglich. Der Kern des ganzen Wiedergänger:innentums liegt in der periodischen Wiederkehr zum Verwechseln ähnlicher politischer Ereignisse, deren Abfolge Mustern folgt, wie auch Lieder ihre reproduzierbare Form haben: Wahlen, Militärputsche, Aussetzen der Verfassung, Einsetzen einer neuen, veränderten Verfassung. Proteste, Forderung nach dem Absetzen von Regierungen, Gewalt auf den Strassen, Intervention des Militärs, verschwundene Aktivist:innen. Wie ein Fluch, der die thailändische Gesellschaft heimsucht, sagt Wichaya.
4. Einen Umgang finden
«Es gab zwei Seiten. Und wenn es zwei Seiten gibt und diese sich zusammensetzen und reden und sich einigen können, dann ist Schluss. Aber in diesem Fall dachten beide Seiten, sie hätten Recht. Sie hätten Recht und die andere Seite hätte Unrecht. Sie haben eine Grenze überschritten. Die Sache geriet ausser Kontrolle und wurde zu einem Sicherheitsproblem» sagt in einer Channel News Asia-Doku ein Befürworter des Militär-Putschs von 2006 – und rechtfertigt mit der Zerstrittenheit zweier Parteien den Eingriff der Dritten. Zwei Positionen werden als subjektive Ansicht gerahmt, das Vorgehen des Militärs als einzige vernünftige Antwort. Eine paradoxe Argumentation, denke ich. Wichaya sagt dazu: «So argumentiert man nur, wenn man die Menschen nicht ernst nimmt; ich glaube nicht daran, dass es einen Frieden geben kann auf dieser Grundlage, einen Frieden durch einen Staatsstreich, einen Frieden ohne ein Ernstnehmen der Bevölkerung.» Wir sprechen darüber, was es bedeutet, die politischen Konflikte Thailands als Konflikt von Weltanschauungen zu rahmen. Den miteinander diskutierenden Geschwistern aus seiner Inszenierung zu wünschen, sie würden sich einfach etwas besser zuhören von ihren Überzeugungen Abstand zu nehmen, fällt ziemlich leicht. Ungleich schwieriger erscheint die Lösung, wenn die gegenseitigen Vorwürfe nicht darum kreisen, wie man Reis richtig zubereitet, sondern um Korruption, Machtmissbrauch, Einschränkung von Menschenrechten und Missachtung des Wähler:innenwillens. Ich frage danach, wie sich das Stück positioniert in einer solchen Rahmung des Konflikts und denke dabei an die Stellen, an denen sich Differenzen in Weltanschauungen mit ökonomischen Interessen überschneiden. Wichaya sagt dazu: «Konflikt hin oder her, wir müssen zuallererst anfangen, die Bevölkerung ernst zu nehmen.»
Mitgemeint ist Erinnerungsarbeit. In den thailändischen Geschichtsbüchern stünden Jahreszahlen, Daten, die Namen der Machthaber:innen, aber nichts davon, was die Menschen gefordert haben, die auf die Strasse gegangen sind, sagt Wichaya, was ihre Anliegen waren, was sie angetrieben hat. Man wisse wenig über die Bedeutung der Geschehnisse. Ein Beispiel: Der zur Absetzung der militärischen Regierung führende Volksaufstand von 1973 wird in Thailands Büchern nüchtern als «Ereignis des 14. Oktober» bezeichnet. Dieses Erinnern und Nicht-Erinnern von Geschichte durch Kalendertage, das interessiere ihn. Zum vierzigsten Jubiläum des «Ereignisses vom 14. Oktober» machte Wichaya einen Dokumentarfilm, für den er Interviews mit Personen führte, die auf unterschiedliche Weise mit den Aufständen in Berührung waren. Was ihn dabei geleitet hätte, sei die Vorstellung, dass Geschichte kollektives Erinnern ist. In diesem Erinnern wird zu unterschiedlichen Zwecken und standpunktabhängig versucht, so etwas wie Wahrheit zu schaffen. Diese Wahrheiten sind notwendig heterogen und können sich mit der Zeit ändern, so wie sich die Standpunkte der Erinnernden ändern, sagt er. Gedächtnis ist eine vertrackte Angelegenheit. Solche Interviews, der Dokumentarfilm, seine Inszenierungen: das sei seine Art, Ereignisse wie die Volksaufstände von 1973 oder den Militärputsch von 2014 zu untersuchen. Worum es ihm aber ebenso ginge, sei das Vorstellen der Bedingungen, unter denen eine andere Zukunft und ein Ausbrechen aus den Wiederholungen möglich ist.
«This Song Father Used to Sing (Three Days in May)» wird im Rahmen des Theater Spektakel 2022 aufgeführt. Das Gespräch mit Wichaya Artamat wurde am 23. Juni 2022 geführt.
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Spezialausgabe
Andere Augen
Kian Schwabe (*1993) ist Autor, Theatermacher und studiert Regie an der ZHdK.