Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
Diedrich Diederichsen

T wie Totem-Sounds

Warum nun Totem-Sounds? Meine These wäre, dass solche der Musik äusserliche Soundeffekte es sind, die zu einem grossen Teil zu der sozialen Identifikation einer bestimmten Pop-Musik-Richtung beitragen. Sie sind auffällig, aber vorderhand funktions- und bedeutungslos und lassen sich daher leicht mit starken sozialen Bedeutungen durch die Rezipienten versehen. Natürlich bedeuten sie nicht stabil. Sie sind abhängig von Verabredungen, die typisch sind für kleine exklusive, aber eben auch grosse tendenziell eher inklusive Gruppen, Subkulturen und Communities. Nicht der Beat entscheidet, sondern mit welchem Sound er geschlagen oder erzeugt wird. Das kleine, aber auffällige Nebengeräusch hat eine wichtigere diskriminierende Rolle als Komposition und der Rest des Arrangements. Am Gitarrensound erkenne ich das, von meiner Gruppenidentität her verstandene, Richtige oder Falsche an einer Musik. Wie um ein Totem schart sich die Gruppe um einen Sound, der so zu einem mobilen Totemmodul wird, vielfältig einsetzbar, transportabel und am Ende, nach einer Phase des Erfolges und der Gültigkeit, entwertet und einer unspezifischen Mainstream-Musik überlassen zurückbleibt. Bis sich die Nostalgie-Industrie seiner erbarmt und nach einer gewissen Zeit mit genau diesen, dann meist auch technisch veralteten und daher noch ein einem anderen Sinne effektiven Klängen Erinnerungen verkaufen kann. Den Index des eigenen Lebens.

Erstmals publiziert in:  Diedrich Diederichsen: Eigenblutdoping. Selbstverwertung, Künstlerromantik, Partizipation. Kiepenheuer & Witsch, 2008