Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualiseren Sie auf Edge, Chrome, Firefox.
Peter Schneider

P.S. Ethnopsychologie (dt.: Völkerseelenkunde)

Heute: der Grieche. Während wir Schweizer ganz verschiedene Wörter für «Fremder» kennen – «Papierlischwiizer», «Asylant», «Uusländer», «deutscher Professor», «fremder Fötzel», «Schwabe», «Tourist»…

…gibt es im Griechischen nur ein einziges Wort dafür, das zugleich aber auch «Gast» bedeutet: «xenos». Die griechische Mentalität zeichnet sich daher im Grunde ihrer Seele durch eine undifferenzierte Furcht sowohl vor Fremden als auch Gästen aus (griech.: «Xenophobie»), während, wie gesagt, die Schweizer Seele in dieser Hinsicht durchaus fein zu differenzieren weiss. So ist es z. B. kein Wunder, dass die Schweiz im Xeno-Transplantations-Ranking auf den vordersten Plätzen rangiert, während es keinem Griechen auch nur im Traum einfallen würde, einen fremden Gast um dessen Nieren, Herz oder Leber zu bitten. Diese Ängste, so Politexperten, müsse man ernst nehmen und sie nicht den Rechtsnationalkonservativen überlassen. Was hingegen die «Germanophobie» (lat.: «German angst») betrifft, sind sich Schweizer und Griechen erstaunlich einig. Auf deutscher Seite wiederum entspricht dies der tief verwurzelten Furcht vor radikal-fundamentalistischen Schweizer Einkaufsterroristen und griechisch-keynisianischen Finanzministern (engl.: «Grexit with Dignitas»). – Und das nächste Mal: der Liechtensteiner – wo er lebt, was er denkt und warum.

Der Text erschien erstmals in der Sonntagszeitung vom 1. März 2015.