Nach dem Spektakel ist vor dem Spektakel
Es ist vorbei! Was wir in der gut geschützten Festival-Bubble als Stoff vorgesetzt bekamen (und durch regen Zuspruch entgegennahmen) waren (auch) Kriege, Konflikte, soziale Abgründe und Weltenbrände. So schafften wir das, auch dieses Jahr: Heile Welt auf der Landiwiese, dunkle Erinnerungen an die brennende Gegenwart in den Zelten, dann im pünktlich bereitstehenden Bus nach Hause fahren. Ja, so ein Spektakel tut gut. Und was nun, wenn es vorbei ist? Was macht die Filterbubble, die sich im Theater an Mitleid und Furcht labte, dem die vorgeführte Welt kurz im Hals stecken blieb, und die nun wieder in den Alltag entlassen wird? Während sich ein Teil wieder Zuhause verkriecht und dem Netflix-Spektakel widmet, nimmt ein anderer die Bühnen-Schocks als Anlass zum Nachdenken über das eigene Leben, in dem man es besser machen wird. Und dann gibt es noch diejenigen, die sich angespornt fühlen, selber mal Teil des Geschehens und, wer weiss, sogar berühmt zu werden. Für den pausbäckigen Theaternachwuchs (zu dem auch ich gehöre) ist das Speki eine gute Möglichkeit, durch das Zerreissen von Karten für einen Stundenlohn wieder ein Schrittlein näher an die Grössen des Theaters zu kommen und, wer weiss, dereinst selbst Theaterkunst zu kreieren (das ist gut für die Kreatitvwirtschaft). So entwirft jeder seine Welt und Zukunft. Klar ist: Es muss schon brennen, damit die kritische Kunst und ihr Publikum etwas zu verdauen hat. Auch wenn so viele junge, engagierte Theaterschaffende davon träumen, selbst mal die Landiwiese zu bespielen, so endet jeder Traum im schweissgebadeten Erwachen. Wir können uns über nichts mehr sicher sein, über Drei Dinge aber schon: Auch nächstes Jahr wird uns das Theaterspektakel mit flotten Stücken unterhalten, der Nachwuchs wird sich um das Zerreissen der Tickets kümmern, und die Welt wird in Flammen stehen. Wir sehen uns beim Anstehen.
Spezialausgabe
Im Welttheater
Dominik Wolfinger (*1987) ist Autor. Er studierte Dramaturgie und Kulturpublizistik an der ZHdK.