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Daniela Bär

Mini-Reportage: Randy’s Man

Nachdem er sein Fernglas, „you gotta chase `em“ murmelnd, im Netz unter der Sitzfläche seiner Klappsitzgelegenheit verstaut hat, gesellt er sich zu uns. Wir bilden einen Kreis um die Gasflamme, die aus Wasser in unserer Bialetti Kaffee hochpressen soll.

Es dämmert gerade auf dem Zeltplatz im Herzen Nordamerikas, im Laufe der nächsten Stunden werden die Temperaturen sich verdreifachen und die Tiere zurück in die Wälder der Rocky Mountains treiben. Man kommt mit den Nachbarn ins Gespräch um diese Zeit, spricht beispielsweise über die Grizzlybären, die man nicht gesehen hat. Man erzählt, woher man kommt, vor allem aber fragt man zurück. „I’ve served my country for many years, you know?“, erzählt uns Randy. Undeutliche Worte aus asymmetrischem Mund, wir halten ihm eine leere Tasse hin. Randy muss früher drahtig gewesen sein und wirkt heute anfällig.

Mit Restfunken in den matten Augen zählt er die Waffen auf, die er in der Armee benutzen durfte – Buchstaben, Ziffern, Gehäuse, Verschlüsse, Schaftbreite, Lauflänge. Teile seines Privatarsenals führt er auf der verkrusteten Ladefläche seines Pick-Ups mit, zwischen dem Hörschutz für seinen Enkel und dem Behälter mit den Fischködern. Wir nicken, weil es für alles andere noch zu früh ist.

Randy stammt aus Florida, wo er vor allem die Sonne und das Stand-Your-Ground-Law, eine Erlaubnis zur Selbstverteidigung, schätzt. Er verbringt die Wochenenden meist mit seinem einzigen Enkelkind, das keinen Namen hat, aber „his man“ ist. Ein richtiger Mann sei allerdings erst, wer das Schiessen gelernt habe. Hunderte Meilen pro Woche fährt Randy mit dem Sechsjährigen, er wirft einen zärtlichen Blick auf den Beifahrersitz: Da schläft „his man“, Tarn-T-Shirt und Hand am Gurt, mit weizenfarbenen Locken, in die man am liebsten hineingreifen möchte. Unsere Bialetti spuckt braunes Wasser, das nach Kaffee riecht.

Die Armee war Randys Heimat, bis der erste Anfall kam: Umzug von der Militärbasis ins Reha-Zentrum, zeitgleich macht ihn seine Tochter zum Grossvater, die Familie wird sein neues Zuhause. Ein zweiter Schlaganfall folgt, Randy ist kurzzeitig und halbseitig gelähmt. Die ihm noch verbleibende Zeit, „third time’s a charm“, wolle er mit seinem Enkel verbringen, mit ihm Zelte aufspannen und ihm das Angeln und Ausnehmen von Fischen beibringen. „I wanna take good care of my man, you know?“

Als die Emaille-Tassen leer sind, legt Randy die rechte Hand aufs Herz und bedankt sich. „Gotta go“, meint er. Er wolle heute noch ein paar Eichhörnchen schiessen.

Dieser Text entstand im dritten Reportagenworkshop der Plattform Kulturpublizistik und des Magazins REPORTAGEN. Erstmals erschien er in REPORTAGEN #21. In der Zollfreilager-Rubrik Mini-Reportagen erscheinen regelmässig Texte, die im Reportagenworkshop entstehen und sich im Themenkreis Kultur/Migration bewegen.