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Luisa Tschannen

Make love, not war

«Saison Séche» steht für Sexstreik. Sexstreik wird als Druckmittel dazu eingesetzt, die Lösung eines Konflikts zu erzielen. Und zwar gemäss der Devise «Make Love not war», denn Sexstreik ist Druckmittel von Frauen, sich Bekämpfende und Krieg führende Männer dazu zu zwingen, mit dem Kämpfen aufzuhören.

«Die erste Reaktion der Gesellschaft auf einen Mann ist: Er hat die Macht. Frauen arbeiten jeden Tag um zu beweisen … Sie haben die Macht nicht. Aber sie wollen die Macht. Nicht genau die Macht. Sie will Respekt. Nur das Phia Ménard schildert im Publikumsgespräch nach der Erstaufführung von Saison Séche am Theaterspektakel Reflexionen und Beobachtungen zu den Lebenserfahrungen als Mann und als Frau. Die Transgenderperson zeigt im Tanztheater, wie Macht durch Körpersprache demonstriert wird. Dies wird im Stück durch die Transformation der Tänzer*innen klar herausgearbeitet und in Bezug zu den Rollen gesetzt, welche diese als Mann oder Frau übernehmen. Die Tänzer*innen treten erst als weinerliche, verzweifelte Mädchen auf. Mit lumpigen Plüschtieren liegen sie verängstigt auf dem Boden, richten sich zitternd auf, um gleich wieder zu Boden zu fallen. Was klischiert klingt, wirkt durch die exakte und heftige Performance der Tanzenden eindrücklich. In Embryostellung liegen diese da, manchmal strecken sie ihr Geschlecht in die Luft oder gehen auf zarten Storchenbeinen in knappen, weissen Kleidern über die Bühne. Dabei wandeln sie sich, werden kriegerisch, obszön, schreien und stampfen. Und werden zuletzt zu Männern: Sie übernehmen männliche Körpersprache, kleiden und verhalten sich so, dass sie als Frauen kaum mehr zu erkennen sind. Ihre Schwäche, ihre Sexualisierung, alles was sich während der Anfangsszene aufdrängte, verschwindet und verwandelt sich in eine Parodie autoritärer Männlichkeit.

Dominanz, Obszönität, Aggression und Rumbrüllen fallen als männliche Verhaltensweisen der Machtdemonstration auf. Zu den Mitteln weiblicher Macht äussert sich Ménard im Anschluss an die Aufführung: «Ich bin sicher, dass jede Frau sehr grosse Macht hat, wenn sie nein zu Sex sagt. Wenn sie nein sagt. Wisst ihr, es war in Nigeria, in Afrika. Frauen entschieden aufzuhören. Sie hörten mit Sex auf. Während vielen Jahren gab es Krieg, ein Bürgerkrieg. Und als sie entschieden, mit Sex aufzuhören, begannen die Männer Lösungen zu suchen. Und hörten auf zu kämpfen. Der Sexstreik. Das ist wieso ich es Saison Séche genannt habe. Es ist eine Saison ohne Sex. Es ist trocken.»

Männern – eingeschränkt auf ein stereotypisiertes Persönlichkeitskonzept– wird das vielleicht einzige entzogen, was für sie in der patriarchal geprägten Gesellschaft wichtiger ist als Kampf: Sex. Anstatt dass Arbeitsleistung verweigert wird, wird durch den Entzug körperlicher Liebe Frieden erpresst. «Make love not war» ist dann kein ideologischer Vorschlag mehr, sondern Handel und reales Angebot.

In Liberia, nach 14 Jahren Bürgerkrieg, mehrmals in der Türkei, ebenso in Kolumbien, Kenia, Togo, den Philippinen, in der Ukraine, Spanien und Italien: Bei all diesen Länder liegen seit dem Jahr 2000 Berichte zu Sexstreiks vor. Gestreikt wurde gegen Banker, gegen die Diskriminierung von Frauen, damit Kriege und Bandenkämpfe aufhören, damit Strassen gebaut, Wassersysteme repariert und Wahlrechtsreformen eingeleitet werden. Sexstreiks zeigen Wirkung und führen oftmals zum Erfolg. So wurden bereits mehrere Male bewaffnete Konflikte wegen eines Sexstreiks beigelegt ­– zum Beispiel 2011 in den Philippinen.

In der Komödie Lysistrate des griechischen Dichters Aristophanes wird ein Sexstreik der Frauen von Athen und Sparta im 20ten Jahr des peloponnesischen Krieg (also 411. V. Chr.) zum Thema gemacht. Gespickt mit platten sexuellen Anspielungen und von einem Mann geschrieben, ist es vielleicht auf eine dämliche – ääh herrliche – Art komisch, lässt aber die weibliche Perspektive vermissen. Dass die Verweigerung von Sex auch zu einer angenehmen Befreiung von fremden und internalisierten Objektivierungsbemühungen führen kann, das hätte kein Mann der Welt geschrieben – oder gewusst.