Im Saftladen – humoris feminini
Weibliche (1) Körpersäfte stehen für Ekel, Mythos oder
Sex – auf keinen Fall für Normalität. Während Männer in Pissoirs pinkeln, ihr Schweiss nach Sportlichkeit und Potenz riecht, und viele ihr Ejakulat mit Stolz erfüllt, werden die weiblichen* Pendants übertüncht, weggewischt, ausgewaschen, unterdrückt, lange bevor sie irgendjemand gerochen, gesehen, gespürt hat.
Der Versuch einer Entschämung.
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Wenn Vulven bluten, dann gibt es zwei mögliche Szenarien, die beide wahnsinnig symbolträchtig sind. Vor allem, wenn diese zum ersten Mal eintreten, denn dann muss eines der beiden Ps passiert sein: Periode oder Penetration.
Variante eins: Ein Mädchen ist zur Frau geworden, denn Frau–sein bedeutet ja basically, kleine Mini–Versionen seiner selbst in die Welt setzen zu können. «Ach, jetzt willst du vielleicht noch keine, aber glaub‘ mir: Das ist etwas, das eine Frau erlebt haben muss.» Mag sein, Tante Gloria. Gut, dass ich mir ohnehin vorgenommen hatte, in Zukunft weniger auf meine FOMO zu hören.
Variante zwei: Eine junge Frau*, die noch Jungfrau war, hat ihre Jungfräulichkeit verloren. So zumindest der mehr als rückständige Volksglaube, denn eine Vagina ist ja kein Bubble–Tea, dessen Abdeckfolie reisst, sobald zum ersten Mal ein Strohhalm hineingerammt wird. «Die berühmten Blutstropfen auf dem Laken sind kein Beweis für die Jungfräulichkeit […], sondern für eine Verletzung, also genau das, wofür Blut – mit Ausnahme von Menstruationsblut – ansonsten auch steht», schreibt Mithu Sanyal in ihrem Buch «Vulva». Auch mich plagte bei meinem ersten Mal die Sorge vor dem sagenumwobenen Fleck auf dem Laken. Welcher minderjährige Dude weiss schon, wie man Blutflecken vernünftig auswäscht? Ein flüchtiger, postkoitaler Kontrollblick. Und ich sehe: absolut gar nichts. Keine Verletzung, Glück gehabt. Erleichtert ging ich zum Schwimmtraining und fühlte mich erwachsen wie nie.
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Was es aber verstand, war, dass etwas Unnormales passiert war. Etwas, das sogar vor den eigenen Eltern eine Grenze an Intimität überschritten hatte. Ein Körperteil des Mädchens, der eigentlich niemanden etwas anging, war ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt worden. In diesem Moment machte die Schamlippe ihrem Namen alle Ehre. Das Mädchen erinnert sich an eine hellblaue Untersuchungsliege mit lauter Kuscheltieren. Es wird genäht. Bei den darauffolgenden Autofahrten sitzt es auf einem Kissenturm und bekommt nach jedem Pipi–Machen ein Stück Schokolade. Zartbitter. Born classy, würde ich sagen.
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2. Schweiss
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Schweiss ist der Körpersaft, den wir am energischsten bekämpfen. Wir versperren ihm den Weg, verstopfen die Drüsen, durch die er sich seinen Weg bahnt, mit Anti–Transpiranten, die uns 24, 36, ja 48 Stunden Trockenheit versprechen. Wer bietet mehr? Wenn ich an meine Pubertät zurückdenke, erinnere ich mich weniger an den Geruch von Schweiss als an den der Deos, die ihn überlagern sollten. Die all die Pheromone in die apokrinen Drüsen zurückdrängen wollten, wo sie bisher geschlummert hatten. Die Jungs benutzten Axe Dark Temptation, obwohl keiner von ihnen dark war oder in irgendeiner Form eine Versuchung darstellte. Eigentlich roch das Zeug nicht mal im Entferntesten nach Schokolade, eher nach dem verzweifelten Versuch, dem Wörtchen «herb» etwas näherzukommen. Ein richtiges Torwartdeo. Ich stand trotzdem drauf. Die Mädchen* trugen alle Rexona–irgendwas, oder dieses Dove mit Gurkenduft. Schweiss mit Gemüse.
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Sportschweiss, Menstruationsschweiss, Polyesterschweiss – das sind meine Kategorien. Und seit 2020 vielleicht noch Corona–Schweiss. Ich jedenfalls habe noch nie im Leben so stark geschwitzt. So, dass man dreimal in der Nacht den Pyjama wechseln musste. So, dass man die eigene Dehydration spürte. Die Waschmaschine lief zwei Mal am Tag, im Wettlauf mit dem Kleiderschrank meines Bruders, dem langsam die T–Shirts ausgingen. Vielleicht addiere ich die Unterkategorie Sommer 2022. Meine beste Freundin und ich sitzen in Venedig beim Aperitivo. Es ist so heiss, dass uns der Schweiss die Sonnencreme in die Augen spült. Der Versuch, den Negroni schneller zu leeren, als man ihn ausschwitzt. Mutig wehrt sich der Wermuth.
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So stark hat sie bisher immer nur Männer schwitzen sehen. Beim Sex, beim Sport, beim Dasein. Sie fragt sich, wo sich all die triefenden Frauen* verstecken. Ob sie überhaupt schon mal einen weiblichen* Schweisstropfen abbekommen hat. Wenn diese Männer sie anschwitzten, geschah das meistens nachts und wegen Antidepressiva. Er, wie er tief schlafend neben ihr liegt. Eine Haarsträhne klebt ihm auf der schweissbenetzen Stirn, die Augenbrauen zusammengezogen, als sei er angestrengt. Er in der Tram, wie er seinen Kopf an ihre Schulter legt, Codein–verballert, ihr sagt, wie beruhigend er es fände, dass sie neben ihm nie schläft. Wach liegt sie da und absorbiert seine salzigen Alpträume. Nimmt sie ihm ab.
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Dein Schweiss, der Nektar meiner Begierde
Heisst es nicht: Ich kann dich riechen, riechen, riechen
Es riecht so gut, es riecht so gut.
Sven Väth, »Dein Schweiss«
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Sie mag Samt, aber Samt mag sie nicht. Samt und sie ergeben beissenden Schweissgeruch. Sie sitzen auf ihrem Balkon, er kifft, sie hängt ein Kleid zum Lüften über das Geländer. »Wow, das stinkt echt übel«, sagt sie. Er lächelt. «Ich steh drauf», sagt er. Steht auf und riecht an der Unterseite eines Ärmels. Lächelt. Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte er ihr Tagebuch aufgeschlagen. Sie hatte das Kleid doch aufgehängt, damit der Geruch verschwindet, unbemerkt. Ohne dass er mitbekommt, dass sie so riechen kann. Dass sie ihn dann rauswarf, obwohl keine S–Bahn mehr in sein Scheisskaff fuhr, lag aber daran, dass er sich selbst als frauensüchtig bezeichnete. Könne den Reizen links und rechts einfach nicht widerstehen. Die arme Maus. Da wurde sie gleich auch etwas gereizt. Ihre Lieblingskategorie von Mann ist und bleibt der linksradikale Anti–Feminist. Pure Love.
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Die Cosmopolitan, wie die meisten sogenannten «Frauenmagazine» weder deren Freundin noch Helferin, zeigt beispielhaft, wie Empowerment zur Akzeptanz der eigenen Ausdünstungen nicht funktionieren sollte: Das Magazin möchte seinen Leser*innen aufzeigen, dass es schon okay ist, wenn weibliche* Körper auch mal ein paar Schweisstropfen absondern. Schwitzen sei an erster Stelle lebensnotwendig, was schon mal good enough ist, nebenbei aber noch gut fürs Detoxen, die Wunderwaffe für einen «natürlichen Glow» und ein gutes Körpergefühl. Denn nach dem Pamela–Reif–Workout (die ja in ihren Videos niemals schwitzt) bestätigt einem der eigene Körper ganz kapitalistisch, dass man so richtig was geleistet hat, blood, sweat & tears. Schwitzen als Belohnungsprinzip. Wir lernen: Schwitzen ist okay, wenn es zu einer Optimierung beiträgt. Weibliche* Körpersäfte müssen ihr Dasein schliesslich rechtfertigen. Wo kämen wir denn sonst hin?
Das beweisen auch einige Perlen der musikalischen Popkultur:
Holiday Inn; Come and meet me on my eighth floor; Damn it feels good but I feel bad for the maids though; […]; I just wanna make you sweat; I wanna make you sweat; I just wanna make you sweat; I wanna make you sweat; Sweat.
Dass Snoop Dog in seinem Song «Sweat» seine Angebetete zum Schwitzen bringt, liegt natürlich keinesfalls an den acht Stockwerken, die sie bis zu seinem Hotelzimmer bewältigen muss. Sie schwitzt, weil der Sex so gut ist und der ist gut, weil Snoop Dog gut ist. I′m why her river flowin′ to another lake. Klar, he’s why. Mit einem ähnlichen Know–how im Bett kann sich auch Inner Circle brüsten, consent ist ihnen dabei mehr eher mittelwichtig, so beschreibt die Reggae–Band es zumindest in «Sweat (A La La La La Long)»: Girl, I want to make you sweat; Sweat ′til you can′t sweat no more; And if you cry out, I’m gonna push it some more. Ebenso, nur ohne rape–fantasy, besingen es die All–American Rejects, denen für ihren Song «Sweat» leider auch kein anderer Titel eingefallen ist: Sweat! Sweat! Sweat! I’m making you; Sweat, sweat, sweat.
Wir haben verstanden: Frauen* dürfen schwitzen, wenn die männliche Performance zwischen den Laken ihnen einfach keine andere Wahl lässt. Die Playlist könnte endlos weitergeführt werden. Schwitzende Frauen* scheinen sich bevorzugt hinter geschlossenen Türen zu verbergen: der einer Sauna, der eines Fitnessstudios, der von Snoop Dogs Suite im Holiday Inn. Und wieder brauchen sie einen guten Grund, ihren Körperflüssigkeiten freien Lauf zu lassen.
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3. Vaginalsekret/Lubrikation
Mein Bruder hat mir mal ein Batik–Shirt geschenkt. Ein schwarzes, das das Bleichmittel überall, wo keine Schnur geknotet worden war, orange gefärbt hatte. Der Farbton kam mir sofort bekannt vor, ich wusste nur nicht, woher. Dann fiel es mir ein: Es ist dasselbe Orange, das sich mit der Zeit auf dunklen Unterhosen bildet, die mit Vaginalsekret in Berührung kommen, das vor allem während des Eisprungs einen niedrigen pH–Wert aufweist. So sauer, dass es bleicht. Hat was Gefährliches; find ich gut. Meine Bekannte erzählt mir, dass es ihr als Teenager immer peinlich war, wenn sie einer Freundin, die spontan bei ihr übernachtet hatte, eine Unterhose ausleihen musste. Weil sie sich für die verwaschenen Spuren schämte. Wieso erklärt einem niemand, wie normal das ist?
Vielleicht hüten wir unser vaginales Geheimnis so gewissenhaft, weil es derart viel über uns verrät. Zeig mir dein Vaginalsekret und ich sag dir, wer du bist. Beziehungsweise, wo du dich in deinem Zyklus befindest. Beziehungsweise ob floratechnisch alles paletti ist. Beziehungsweise, wie du dich ernährst, denn auch der Verzehr scharfer Gewürze, Zwiebeln oder Knoblauch verändert die Erscheinungsform des Sekrets kurzfristig, da diese auch über die Schleimhäute ausgedünstet werden. Bisher kam mir das als Knoblauch–Allergikerin nur beim Küssen in die Quere, ich addiere gedanklich eine Gefahrenzone.
Die Zusammensetzung des Vaginalsekrets ist nicht nur Zyklus–, sondern auch Stressbarometer. Ich kann die Vulven in meinem Umfeld in «Team Fungus» und «Team Blasenentzündung» unterteilen. Wer nach dem Sex nicht pinkeln geht, hat verloren. Das muss man mit Humor nehmen, sonst wird man angesichts der himmelschreienden anatomischen Ungerechtigkeit bezüglich Harnröhrenlänge und Infektionsanfälligkeit verrückt. Aus aktuellem Anlass trieb eine Freundin und mich etwa die Frage um, ob die Wiener*innen auch zum Vaginalpilz «Schwammerl» sagen. Das Ergebnis der Feldstudie: Tun sie nicht. Wäre zu schön gewesen.
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Skurrile Szenen bei der Frauenärztin, Klappe die 1.: Olfaktorische Diagnosen: Die Gynäkologin führt ihr einen Finger ein, riecht anschliessend daran und sagt: «Das riecht nach Hefeteig, Sie haben eine Pilzinfektion.»
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Der Geruch von Vulven stösst aber nicht nur auf medizinisches Interesse. Die Pheromone, die Männer eher beim Schwitzen verströmen, verbreiten Frauen* mithilfe ihres Vaginalsekrets. Wer einander riechen kann, sollte Genmaterial austauschen. Bei näherer Recherche tun sich neue Rabbitholes auf: Manche Frauen* gehen bei der Partner*innen–Akquise sogar so weit, sich ihren juice wie Parfüm auf Hals, Schläfen und Handgelenke zu tupfen. Dieser Trend nennt sich «Vabbing», eine Wortneuschöpfung aus vagina und dabbing – also «Tupfen». Klingt im ersten Moment nach Selbstermächtigung, Wissenschaftler*innen warnen jedoch vor verstärkten Hepatitis–B–Ausbrüchen, da die Viren auf der Haut gut überdauern und andere anstecken könnten, auch ohne dass diese zwingend Sexualpartner*innen gewesen sein mussten. Big Drama. Bereits 2008, lange vor dem TikTok–Trend, erzählt auch Helen in «Feuchtgebiete» davon: «Ich benutze mein Spegma wie andere ihre Parfümflakons. Mit dem Finger kurz in die Muschi getunkt und etwas Schleim hinters Ohrläppchen getupft und verrieben. Wirkt schon beim Begrüssungsküsschen Wunder.»
Dass ihre Schwiegermutter nicht als potenzielle Geschlechtspartnerin infrage kam, hatte sie bereits vermutet und nicht weiter bedauert. Die Annahme bestätigte sich, nachdem besagte Schwiegermutter ihren Sohn, der gerade von einer durchvögelten Nacht nach Hause gekommen war, zur Begrüssung auf die Wange küsste und zurückschreckend fragte, ob er Knoblauch gegessen habe. Nicht ganz.
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Skurrile Szenen bei der Frauenärztin, Klappe die 2.: Vaginale Kriegsführung: «Mhm, es juckt also? Das sieht mir hier arg nach einer bakteriellen Fehlbesiedelung aus. Ich verschreibe Ihnen eine Creme, die brennt alles weg. Nehmen Sie dazu am besten noch diese Zäpfchen, um die Flora aufzurüsten.»
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Neben Zyklus, Infektionen und Pheromonen haben Körpersäfte, die in der Vagina produziert werden, natürlich auch ab und zu mit Lust zu tun. Ein Saft dient sogar der Lust allein: Wenn sich Vulven auf sexuelle Aktivität vorbereiten, tut sie das mittels Lubrikation, der natürlichen Gleitflüssigkeit, die aus den Bartholin–Drüsen am Vaginaleingang austritt. Meine Bartholin–Drüsen scheinen über ein Sprachengedächtnis zu verfügen, denn sie reagieren verstärkt auf französischen Dirty–Talk. Wir müssen wieder lernen, Deutsch sexy zu finden. Ein Satz, wie ihn die AfD nicht schöner hätte schreiben können.
Ich möchte mehr über diesen Freudensaft wissen. Was eigentlich eine sinnliche Angelegenheit ist, wird bei näherer Lektüre schnell zunichte gemacht. Es beginnt schon bei der Zweideutigkeit des Terms «Lubrikation». Dieser stammt vom lateinischen Verb lubricare, was mit «schlüpfrig machen» übersetzt wird. Klar: nass, feucht. Aber auch unanständig, anstössig. Ein Wort wie die Witze nicht allzu entfernter Verwandter nach dem dritten Glas Riesling. Dabei will die Vulva ja dann genau das Gegenteil: Durchgang gewähren, nicht anstossen. Weiter geht’s im Wikipedia–Artikel: Gerät die Vulva also in schlüpfrige Stimmung, sondert sie eine «schleimige Gleitflüssigkeit» ab. Schon wieder so ein Adjektiv. Ich lese einen gewissen Ekel heraus und befrage das Lexikon meines Vertrauens. Darin werden die folgenden Wortbedeutungen für «schleimig» aufgelistet:
1: schlüpfrig (again!) – Beispiel: eine schleimige Absonderung, Haut, Schnecke
2: abwertend: heuchlerisch– Beispiel: jemanden schleimig anlächeln
3: sämig, dickflüssig – Beispiel: eine schleimige Suppe
Es ist zum Aus–der–Haut–fahren. Jetzt gäbe es mal eine Körperflüssigkeit, die wirklich unmittelbar mit Sex in Verbindung steht, was für andere Säfte ein berechtigter Daseinsgrund zu sein scheint, und sogar dann wird ein subtiles Abstossen eingewebt. Ein Sprechen über weibliche* Körpersäfte scheint ohne Wertung unmöglich.
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4. Urin/Prostatasekret
«Das Laken ist danach immer richtig nass. Total krass.» «Wie machst du das eigentlich?», frage ich sie. Meine Freundin bewegt den Zeigefinger ihrer rechten Hand, als würde sie lasziv ein unsichtbares Gegenüber heranlocken. «So.» Ich betrachte meine wintergegerbten Hände. «Dafür sind meine Finger zu kurz», erwidere ich resigniert, meine Freundin lacht «Bummer.» Eine Weile nippen wir schweigend an unserem Prosecco. Ich schaue auf die sprudelnde Flüssigkeit in meinem Glas. «Was ist das eigentlich, was da dann rauskommt?» «Mein Lover sagt, es sei Urin», sagt sie nachdenklich.
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Dieser Dialog hatte eine tiefgreifende Recherche zur Folge, die wie so viele Fragen zur weiblichen* Anatomie mit der Feststellung endete, dass es eigentlich mehr Forschung bräuchte. Ist Squirten wirklich verdünntes Pinkeln? Ich finde, wer so viele Vulven–Sticker auf technische Geräte klebt wie ich, sollte eigentlich besser Bescheid wissen. Also befrage ich diesen einen Freund, der in einem Berliner Stadtpark aufgrund sexueller Aktivitäten Zutrittsverbot hat, was ihn als Ansprechpartner ausreichend legitimiert. «Ja, wo soll das ganze Wasser denn herkommen deiner Meinung nach?» Er verdreht die Augen. Gute Frage.
In Grossbritannien wurde beispielsweise 2004 die weibliche* Ejakulation in Pornofilmen verboten, 2014 wurde dieses Gesetz auf Video–on–demand und Streaming–Angebote ausgeweitet. Squirting, aber auch Praktiken wie Face–Sitting, Spanking oder Fisting galten ab sofort als obszön und daher gesetzeswidrig. Als das Gesetz verabschiedet wurde, beschränkten sich meine sexuellen Erfahrungen auf Fruchtseccoberauschtes Gefummel mit diversen Freunden meines Bruders, Grüsse gehen raus. Für femmes* fontaines, wie es auf Französisch – und mal wieder viel eleganter – heisst, gab es noch keinen Platz in meinem jugendlichen Hirn. Doch nun will ich mehr wissen und recherchiere weiter. Man kann gegen die News–Plattform Vice sagen, was man möchte, aber Humor kann sie:
Men are allowed to jizz where, when, and in whatever high, arcing trajectory they like, but for some reason female ejaculation is now outlawed in case someone confuses it with an especially loud, screaming piss. […] Who are you to stop them, EUROPE?
Jizz comes out of the same hole as piss. Why can’t the same logic that is applied to penises also be applied to vaginas?
Auf das Verbot wurde mit einer Form der Demonstration reagiert, der ich gern beigewohnt hätte: Es kam zu Facesitting–Protesten vor dem englischen Parlament. Zwar in der dry–humping–Version, aber trotzdem genial. Wer möchte über sich und seine*n Partner*in nicht im Guardian lesen: The pair will take part in the mass face–sitting this afternoon.
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Ein anderer Freund erzählte mir, nicht ohne Stolz, dass er schon einmal eine Frau zum Squirten gebracht hätte. Aber nur einmal, eine seltene Frucht. Und er selbst als Agens, versteht sich. Schön, dass eine ejakulierende Vulva hier mal wieder auf eine männliche Glanzleistung zurückgeführt wird.
Event oder Skandal. Niemals Alltag. Eine weitere Flüssigkeit, die am besten dort bleiben sollte, wo auch immer sie produziert wurde – so lang sie nicht gerade als Masturbationsvorlage dient. Spritzende Frauen* sind eine Bedrohung für das Patriarchat. Weibliche* Flüssigkeiten sind eine Bedrohung, weil Flüssigkeiten immer markieren. Reviere abstecken. Wir brauchen mehr davon. Also öfter mal den Saft verschütten, bitte.
(1) Die in diesem Essay beschriebenen Körperflüssigkeiten basieren auf dem Vorhandensein einer Gebärmutter, einer Vagina bzw. eines gewissen Östrogenspiegels. Mit weiblich*/Frau* meine ich alle Körper, die diese Voraussetzungen erfüllen. Für die gesellschaftliche Bewertung und Akzeptanz bei der Anschauung der Flüssigkeiten kommt als Bedingung hinzu, wie der jeweilige Körper von aussen gelesen wird.
Spezialausgabe
nass
Marie Duchêne (1998*) lebt in Zürich und studiert im Master Kulturpublizistik an der ZHdK. Nebst ihrer Arbeit in der Zollfreilager-Redaktion ist sie freischaffend als Lektorin tätig.